IFG-Anfrage Nr. 157: Titerhöhe bei Zulassung von Masernimpfstoffen

Abb.Bei der Zulassung von neuen Masernimpstoffen reicht ein Laborwert, der sogenannte Antikörpertiter, als Beweis für die Wirksamkeit aus. Frage: Wie hoch waren die Titerwerte bei der Zulassung konkret?

Das Paul-Ehrlich-Institut (PEI) ist die zuständige Zulassungsbehörde für Impfstoffe in Deutschland. Im Rahmen der Impfempfehlung, der (schulmedizinischen) Berurteilung von Immunität einer möglichen Masernimpfpflicht spielt der Antikörpertiter eine entscheidende Rolle. Ich wollte vom PEI wissen, welcher konkrete Mindestwert bei der Zulassung der aktuellen Impfstoffe mit Masernkomponente von den Herstellern erbracht werden musste bzw. erbracht wurde.

29. April 2018: Email an das PEI

"Sehr geehrte Damen und Herren, unter Berufung auf das Informationsfreiheitsgesetz bitte ich um Zugang zu behördeninterne Unterlagen, aus denen hervorgeht, mit welchen im Rahmen der Zulassungsstudien nachgewiesenen Antikörperwerten die derzeit in Deutschland zugelassenen Masernimpfstoffe - bzw. Mehrfachimpfstofffe mit Masernkomponente – zugelassen wurden.  1. wie hoch war der erbrachte Mindesttiter, der für die Zulassung entscheidend war 2. wie hoch war der Anteil der Testpersonen (in Zahlen), die diesen Titer erbracht haben. Ich bitte um Bearbeitung innerhalb der vom IFG vorgegebenen Frist von einem Monat.  Für eine Eingangsbestätigung wäre ich Ihnen sehr dankbar. Mit freundlichen Grüßen, Hans U. P. Tolzin"

3. Mai 2018: Antwort des PEI

"Sehr geehrter Herr Tolzin, hiermit bestätigen wir, dass Ihre Anfrage vom 29.04.2018 im Paul-Ehrlich-Institut eingegangen ist. Wir behandeln die Anfrage nach dem Informationsfreiheitsgesetz (IFG), auf das Sie sich in Ihrer E-Mail berufen, und führen sie unter dem Aktenzeichen IFG 09/18.

Bitte wenden Sie sich zu den Impfstoffen M-M-R-Vax-Pro und ProQuad, die nach einem Verfahren bei der europäischen Arzneimittelagentur EMA eine Zulassung von der EU-Kommission erhalten haben, direkt an die EMA.

In Ihrer Anfrage fordern Sie Zugang zu Informationen, die zumindest teilweise den Betriebs-und Geschäftsgeheimnissen, dem geistigen Eigentum oder dem Schutz persönlicher Daten eines Dritten im Sinne von § 5-6 IFG unterliegen. Dem Dritten ist nach § 8 IFG vom Paul-Ehrlich-Institut schriftlich Gelegenheit zur Stellungnahme innerhalb eines Monats zu geben. Um Ihre Anfrage  weiter bearbeiten zu können, benötigen wir  eine Begründung Ihres Antrags. Die Begründung wird zusammen mit Ihren Daten dem Dritten übermittelt werden. (...)"

14. Mai 2018: Widerspruch meines Anwalts

Begründung:

1.) "Das IFG sieht den Verweis an eine andere Behörde nicht vor. Nach dem IFG sind alle Informationen heraus zu geben, die der angefragten Behörde vorliegen, unabhängig davon woher diese Informationen stammen, unabhängig davon ob sie in den originären
Zuständigkeitsbereich der Behörde fallen und unabhängig davon ob sie auch anderen Behörden vorliegen. Die dem PEI vorliegenden Informationen sind daher zu überlassen, der Verweis an die EMA kommt nicht in Betracht.

2.) Es ist nicht ersichtlich inwiefern der Mitteilung des für die Zulassung entscheidenden Mindesttiters oder der Mitteilung des Anteils an Testpersonen mit diesem Titer der Schutz persönlicher Daten entgegenstehen soll. Es handelt sich um Zahlen, die nicht im Zusammenhang mit persönlichen Daten genannt werden. Der Schutz persönlicher Daten steht der Herausgabe ersichtlich nicht entgegen.

3.) Es handelt sich bei diesen Zahlen auch nicht um geistiges Eigentum. Geistiges Eigentum liegt nur dann vor, wenn es sich um urheberrechtlich oder patentrechtlich geschützte (oder um andere gewerblichen Schutzrechten unterliegende) Werke handelt. Bei den angefragten Zahlen (Mindesttiter und Anteil an Testpersonen) handelt es sich nicht um Werke sondern um einzelne Zahlen.

4.) Es werden auch keine Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse tangiert. Ein Betriebs- oder Geschäftsgeheimnis liegt nur vor, wenn ein berechtigtes Interesse an der Geheimhaltung besteht. Ein solches berechtigtes Interesse liegt nur vor, wenn die Offenlegung dazu geeignet ist, exklusives technisches oder kaufmännisches Wissen preiszugeben, so dass durch die Offenlegung die Wettbewerbsposition des Unternehmens geschwächt wird. Der für die Zulassung entscheidende Mindesttiter und die Frage, welcher Anteil an Testpersonen diesen aufwies, stellt kein solches Wissen dar. Es handelt sich vielmehr um Kriterien, die der behördlichen Zulassung zugrunde gelegt wurden. Die Kenntnis der von den Zulassungsbehörden angelegten Kriterien, liegt nun aber im allgemeinen Interesse und gehört nicht zur schutzwürdigen unternehmerischen Sphäre des Herstellers."

4. Juni 2018: Antwort des PEI

"Hiermit möchte ich Sie über den Bearbeitungsstand informieren:

• Priorix und Priorix tetra: Das Fachgebiet hat aus den Zulassungsunterlagen die gewünschten Informationen zusammengestellt. Diese wurden im Rahmen der sog. Drittbeteiligung am 29.05.18 der Zulassungsinhaberin, der GlaxoSmithKline GmbH & Co.KG (GSK), überlassen, da deren Belange berührt sind und Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass sie ein schutzwürdiges Interesse am teilweisen Ausschluss des Informationszugangs haben kann. Nach § 8 Absatz 1 IFG hat GSK Gelegenheit zur Stellungnahme innerhalb eines Monats.

• M-M-R-Vax-Pro und Proquad: Wir prüfen den Vortrag aus Ihrer Stellungnahme vom 14.05.2018, dass ein Verweis an die EMA bzgl. der Unterlagen dieser im zentralisierten Verfahren zugelassenen Arzneimittel nicht akzeptabel sei. Diesbezüglich erhalten Sie unaufgefordert Nachricht von uns.

5. Juni 2018: Schreiben meines Anwalts

"Wie bereits mit Schreiben vom 14.05.2018 ausführlich dargelegt und begründet, liegen keine Anhaltspunkte für schutzwürdige Interessen des Zulassungsinhabers vor. Die Einholung einer Stellungnahme nach § 8 Abs. 1 IFG ist daher nicht erforderlich.

Des Weiteren bitte ich um Berücksichtigung, dass nach § 7 Abs. 5 Satz 1 IFG die Informationen unverzüglich zugänglich zu machen sind und der Informationszugang innerhalb eines Monats erfolgen soll.

Der Antrag meines Mandanten wurde bereits am 29.04.2018 gestellt. Es wird daher nun um Bereitstellung der Information, spätestens bis zum 19.06.2018 gebeten. Nach fruchtlosem Fristablauf werde ich für meinen Mandanten Klage einreichen. Mit freundlichen Grüßen."

19. Juni 2018: Schreiben des PEI

"1.) Hinsichtlich der aus Ihrer Sicht fehlenden Erforderlichkeit der Einholung einer Stellungnahme nach § 8 IFG hatten Sie mit Schreiben vom 14.05.2018 unter Zif. 4.) wie folgt ausgeführt:

"Es handelt sich vielmehr um Kriterien. die der behördlichen Zulassung zugrunde gelegt wurden. Die Kenntnis der von den Zulassungsbehörden angelegten Kriterien. liegt nun aber im allgemeinen Interesse und gehört nicht zur schutzwürdigen unternehmerischen Sphäre des Herstellers."

Zu dieser Auffassung hatte Frau Dr. Stöcker bereits mit E-Mail vom 30.08.2016 Stellung genommen und erläutert, dass es nicht die standardisierten Kriterien gibt, die der behördlichen Zulassung zugrunde gelegt werden, sondern jeder Impfstoff sorgfältig unter Berücksichtigung vielfältiger Kriterien geprüft werde. So führte sie wie folgt aus (Unterstreichungen hinzugefügt):

„Im Zusammenhang mit der aktuellen Frage weise ich darauf hin, dass das Paul-Ehrlich-Institut keinen konkreten Wert vorgibt (oder von ihm ausgeht), sondern der Antragsteller mit den Zulassungsunterlagen Werte angibt. die das Ergebnis von Ringversuchen diverser Labore über viele Jahre sind. Diese werden vom Paul-Ehrlich-Institut überprüft, u.a. auch daraufhin, welches Testsystem verwendet wird, wie dieses System (der Assay) validiert wurde, ob ein internationaler Standard als Vergleich verwendet wurde und wie der Antragsteller den von ihm gewählten serologischen Endpunkt begründet. Diese Bewertung erfolgt, wie mehrfach erwähnt, auf dem aktuellen Stand von Wissenschaft und Technik sowie entsprechend der in den Antworten des Jahres 2015 angegebenen Literatur und dazu gehörender Aktualisierungen."

Entsprechend sind die von Ihnen im Namen Ihres Mandanten Hans Tolzin angefragten Informationen Teil der klinischen Studien, die zur Zulassung eingereicht wurden. Gemäß § 8 Abs. 1 IFG hat das Paul-Ehrlich-Institut einem Dritten, dessen Belange durch den Antrag auf Informationszugang berührt sind, schriftlich Gelegenheit zur Stellungnahme innerhalb eines Monats [zu geben], sofern Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass er ein schutzwürdiges Interesse am Ausschluss des Informationszugangs haben kann.

Es ist zu beachten, dass es nach § 8 Abs. 1 IFG genügt, das Anhaltspunkte für ein schutzwürdiges Interesse der Drittbetroffenen am Ausschluss des Informationszugangs bestehen. Das bedeutet, dass bereits Zweifel an der Existenz drittschützender Ablehnungsgründe, wie hier der absolute Schutz nach § 6 IFG, genügen, um eine Drittbeteiligung nach § 8 IFG erforderlich zu machen. (Vgl. Schach, Informationsfreiheitsgesetz, 2. Auflage 2016, § 8, Rn. 32, 33) Bislang unveröffentlichte Informationen aus und über klinische Prüfungen können eine Vielzahl an Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen tangieren, so dass solche Anhaltspunkte zu bejahen sind.

Die betroffenen Informationen liegen dem Dritten - der Zulassungsinhaberin Glaxo Smith Kline GmbH & Co. KG (GSK) - bereits zur Prüfung vor. GSK hat bis Ende Juni Zeit, Stellung zu nehmen. Wir werden Sie zeitnah über das Ergebnis informieren.

2.) Des Weiteren kommen wir - wie in unserem Schreiben vom 04.06.2018 angekündigt - auf Ihre Stellungnahme in Ihrem Schreiben vom 14.05.2018 unter Zif. 1.) zurück, dass ein Verweis an die EMA bzgl. der Unterlagen der im zentralisierten Verfahren zugelassenen Arzneimittel M-M-R-Vax-Pro und ProQuad nicht akzeptabel sei.

a) Wir bitten zu beachten, dass das Paul-Ehrlich-Institut für die Entscheidung über einen Antrag auf Informationszugang zu Impfstoffen, die im zentralisierten Verfahren nach der Verordnung (EG) Nr. 726/2004 von der Europäischen Kommission zugelassen wurden, nicht zuständig ist.

Gern. § 7 Abs. 1 Satz 1 IFG entscheidet die Behörde über den Antrag, die zur Verfügung über die begehrte Information berechtigt ist. Das Paul-Ehrlich-Institut ist jedoch hinsichtlich zentralisiert zugelassener Arzneimittel nicht verfügungsberechtigt.

Denn neben der Voraussetzung, dass die begehrte Information in der Behörde tatsächlich vorhanden ist, muss der Behörde zusätzlich noch die Verfügungsbefugnis über die Information zustehen (vgl. Schach, IFG Kommentar, 2. Aufl. 2016, § 1 Rn. 47).

Diese Verfügungsbefugnis/-berechtigung fehlt dem Paul-Ehrlich-Institut hinsichtlich ihm ggfs. durch die Europäische Arzneimittelagentur im Rahmen von zentralisierten Zulassungsverfahren zur Verfügung gestellten Informationen.

Im zentralisierten Verfahren werden Arzneimittel von der Europäischen Kommission zugelassen und zwar nach dem Verfahren der Verordnung (EG) Nr. 726/2004. Gemäß Artikel 4 i.V.m. Artikel 3 dieser Verordnung sind die entsprechenden Anträge auf „Genehmigung für das Inverkehrbringen" bei der Europäischen Arzneimittelagentur (EMA) einzureichen. Eine zentralisierte Zulassung durch die EUKommission gilt unmittelbar in allen Mitgliedsstaaten. Entsprechend erteilt das Paul-Ehrlich-Institut für diese Arzneimittel keine Zulassung, weil die zentralisierte Zulassung durch die EU-Kommission bereits unmittelbare Gültigkeit in Deutschland hat und damit ein Inverkehrbringen des zugelassenen Arzneimittels (auch) in Deutschland erlaubt.

In diesen zentralisierten Zulassungsverfahren sind zwar zumindest in den Fällen, in denen das PaulEhrlich-Institut vom Ausschuss (CHMP/CVMP) als Berichterstatter (Rapporteur oder Co-Rapporteur) bestellt wurde und somit für die EMA in einem Auftragsverhältnis tätig wird, Kopien der Unterlagen physisch im Paul-Ehrlich-Institut vorhanden. Anspruchsverpflichtete Behörde nach dem IFG ist aber jeweils nur die aktenführende, d.h. diejenige Behörde, die die rechtliche Verfügungsbefugnis über die ihr im Rahmen ihrer Tätigkeit zugegangenen Informationen hat. Diese ist in den zentralisierten Zulassungsverfahren die EMA als nach der Verordnung (EG) Nr. 726/2004 für Durchführung des Zulassungsverfahrens zuständige Behörde und nicht das Paul-Ehrlich-Institut, welches gegebenenfalls lediglich als „Erfüllungsgehilfe" der EMA bei der wissenschaftlichen Bewertung tätig wird.

b) Der Zugang der Öffentlichkeit zu Dokumenten des Europäischen Parlaments, des Rates und der Kommission, wozu auch die Dokumente der EMA gemäß Artikel 73 der Verordnung (EG) Nr. 726/2004 gehören, ist vielmehr vorrangig in der europäischen Verordnung (EG) Nr. 1049/2001 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 30. Mai 2001 (ABI. L 145/43) i.V.m. den Durchführungsbestimmungen zu dieser Verordnung (siehe Beschluss der Kommission vom 05.12.2001, 2001/937/EG, EGKS, Euratom, bekanntgegeben unter Aktenzeichen K(2001) 3714, ABI. L 345/94) geregelt.

Sofern es Ihr Mandant wünscht, wird das Paul-Ehrlich-Institut sein Informationsersuchen bezüglich der zentralisiert zugelassenen Impfstoffe an die EMA oder an das Generalsekretariat der Europäischen Kommission gemäß Artikel 5 der Verordnung (EG) 1049/2001 vom 30.05.2001 i. V. m. Artikel 2 der Durchführungsbestimmungen weiterleiten. Wir bitten hierzu um eine entsprechende Nachricht."

17. Juli 2018: Email des PEI

Die Bearbeitung wird "bis Ende nächster Woche" angekündigt.

23. Juli 2018: Email des PEI

Das PEI schickt uns eine Stellungnahme von GSK mit den gewünschten Daten zu PRIORIX und PRIORIX Tetra.

Zu den Impfstoffen von SPMSD schreibt das PEI:

"Die im Fact Sheet zusammengestellten Informationen betreffen die Impfstoffe Priorix und Priorix tetra. Priorix und Priorix tetra sind die beiden national zugelassenen Impfstoffe mit einer Masernkomponente. Bezüglich der zentralisiert zugelassenen Impfstoffe M-M-R-Vax-Pro und ProQuad wird auf unser Schreiben vom 19.06.2018 verwiesen."

19. Juni 2019: Mein Anwalt legt Widerspruch ein

Begründung: Es fehlen die Daten zu den Impfstoffen von SPMSD.

Aktueller Stand am 2. Juni 2020:

Der Vorgang wird derzeit wieder aufgegriffen.

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